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Corona-Cocooning – Eine Momentaufnahme



Cocooning ist nicht mehr der selbstgewählte Rückzug in die eigenen vier Wände, sondern das Einzige was einem in der kalten Jahreszeit noch übrig bleibt. Da man sich weder draußen noch im Supermarkt oder Tankstelle länger als wirklich nötig aufhalten möchte . Somit rückt das Heim in den Lebensmittelpunkt. Das Zuhause wird zum Multifunktionsraum: Büro, Schlafstätte, Fitness-Studio, Wellness-Oase, Uni, Schule, Kita, Kino, Kantine und Restaurant – alles in einem, da kann keine Multiplex-Mall mehr mithalten. Und die meisten müssen aus wenig viel machen, da lässt sich nur von Bibis Beauty Palast auf 600 qm und Swimming Pool träumen. Geschlossene Sportstätten führen dazu, dass die Menschen ihre eigenen Fitness-Studios zuhause installieren, um weiterhin fit zu bleiben oder es zu werden. Denn Gesundheit ist das höchste Gut und Gebot der Stunde. Nur die Gesunden kommen in den Genuss der Privilegien, die einst selbstverständlich für alle waren. Alle anderen müssen bitte draußen bleiben. Die Pandemie verstärkt das Gesundheits-Diktat und stigmatisiert die Kranken noch mehr als je zuvor.

Die Fitnessbegeisterung zeichnet sich z.B. in den sozialen Medien ab. So zeigt die 81-Jährige Erika Rischko auf Instagram, welche Übungen zuhause möglich sind. Die Aktie des extrem-teuren Fahrrad-Hometrainers Peloton schießt weiter durch die Decke und Mode-Influencerinnen wie Caro Daur zeigen statt Outfits nun auch ihre Workouts als Content. Verrückte Trend-Yoga-Arten wie Bier Yoga werden abgelöst von Hula-Hoop-Reifen. Die Gewichtsreifen sind auf zahlreichen Plattformen ausverkauft und die dazugehörigen Bücher wie "Huller dich frei!" in den Bestsellerlisten. Das Training erfordert nur ein Gerät für ca. 20 bis 50 Euro und kann während des Fernsehens ausgeübt werden. Klarer Pluspunkt für Netflix-Süchtige!


Active und Lounge Wear sind die gefragtesten Kleidungsstücke auf den Internetverkaufsplattformen. Denn was soll man sonst anderes tragen? Frei nach Karl Lagerfeld: Jogginghosen haben die Kontrolle über unser Leben übernommen. Zahlreiche Modemagazine empfehlen auch Seiden-Schlafanzüge als Alternative zum Business-Anzug. Praktischerweise muss man sich dann nicht mehr umziehen, umzu schlafen oder zu arbeiten. Auch Kochboxen-Anbieter wie Hello Fresh erfeuen sich großer Beliebtheit. Man muss zum einem nicht mehr einkaufen, noch sich überlegen was man kochen soll. Wenn alle zuhause sind, bleibt der Herd auch nicht mehr kalt. Die Bereitstellung von 3 Mahlzeiten sowie Snacks ist nicht umsonst eine eigenes Berufsfeld. Promi-Köche wie Tim Mälzer raten zum Vorkochen – neudeutsch auch Mealprepping genannt. Sonntags oder Abends soll man in der Küche stehen, um die Woche reibungslos durchzustehen. Wer nun immer noch nicht genug zu tun hat. Kann die Wohnung in Angriff nehmen. Denn wer viel zuhause ist, sieht auf einmal alle Makel, die man davor einfach ignoriert hat, weil man kaum dort war. Die Hoffnung wird geschürt, wenn man alles ordnet, entrümpelt und optimiert, dann ist man auch selbst aufgeräumter.

Die Aufräum-Expertinnen von The Home Edit empfehlen hierfür folgende Schritte: alles ausräumen, aussortieren, ggf. auslagern, kategorisieren und dann was bleibt in Regenbogenfarben und durchsichtigen Acrylbehältern wieder einzuräumen. Wenigstens nehmen sie den Menschen nicht alles weg wie Marie Kondo, deren Credo weniger ist mehr Ordnung, einen radikaleren Ansatz fährt. The Home Edit propagiert eher den eigenen kuratierten Concept Store als die leere Zen-Höhle. Ordentlich sortiert gaukelt man sich das Shopping-Erlebnis in den eigenen vier Wänden vor. Jeder Raum kann zum Showroom werden, wenn man denn nur will. Oder man hält es wie Die Sterne – Du musst gar nix!

Bild: Pexels | Yaroslav Danylchenko




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